Was sind Menschenaffen?
Der Begriff "Menschenaffen", wie im normalen Sprachgebrauch verankert, ist wissenschaftlich eigentlich ungenau. Denn man unterscheidet zwischen kleinen Menschenaffen, zu denen zum Beispiel die Gibbons zählen, und großen Menschenaffen.
Letztere nennt man auch "Hominiden", und sie sind diejenigen Tiere, die man normalerweise mit der Bezeichnung Menschenaffen verbindet: Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans. Bonobos, die oft in dieser Reihe genannt werden, sind dabei keine eigene Gattung, sondern "Zwergschimpansen", also eine Unterform.
Rein biologisch betrachtet, gehört übrigens auch der Mensch (Homo sapiens) zu eben dieser Gruppe der "Hominiden".
Der Grund, warum wir und die großen Menschenaffen einer biologischen Familie zugeordnet werden, ist die gemeinsame Abstammung. Forscher vermuten, dass sich unsere Wege in der Evolution zum ersten Mal vor etwa 15 Millionen Jahren getrennt haben, als der Orang-Utan sich von den gemeinsamen Vorfahren abspaltete. Der Mensch schlug erst vor etwa fünf bis sechs Millionen Jahren einen eigenen Entwicklungspfad ein.
Doch obwohl diese Zeitspannen enorm erscheinen, sind sie in der Geschichte des Lebens auf der Erde kaum mehr als ein Wimpernschlag. Auch deshalb sind uns die Menschenaffen genetisch sehr ähnlich.
Orang-Utans teilen rund 97 Prozent ihres Erbgutes mit dem Menschen und sind uns damit unter den Menschenaffen am unähnlichsten. Die Gene von Gorillas weichen nur etwa 1,7 Prozent von denen des Menschen ab, und bei den Schimpansen sind es sogar nur etwa 1,2 Prozent.
Zwischen Mensch und Affe
Wie ihr Name bereits verrät, sind Menschenaffen ein biologisches "Mittelding" zwischen beiden Spezies, denn sie weisen deutliche Unterschiede zu anderen Affen-Gattungen wie zum Beispiel den Makaken oder den Pavianen auf.
Der wohl offensichtlichste Unterschied: Hominiden haben keinen Schwanz, mit dem sie sich etwa an Bäumen festhalten können oder das Gleichgewicht steuern wie ihre entfernten Verwandten.
Aber es gibt noch mehr Eigenschaften, die Menschenaffen von anderen Affen trennen und dem Menschen ähnlich machen: Sie haben beispielsweise erste anatomische Voraussetzungen für einen aufrechten Gang. Das heißt, ihr Becken ist leicht nach vorne gedreht, sodass die Hinterbeine entlastet werden können und gebücktes Gehen bereits möglich ist.
Ein weiterer Unterschied gegenüber anderen Affen ist, dass bei Menschenaffen die Vorderbeine (also Arme) länger sind als die Hinterbeine. Gerade die beiden letzten Eigenschaften geben ihnen die Möglichkeit, aus unserer Sicht menschenähnlich zu handeln. Durch die Entlastung der vorderen Gliedmaßen können sie ihre Hände besser einsetzen.
Hilfreich ist auch ihr "opponierter" Daumen, der den übrigen Fingern gegenübersteht. Damit können sie, ebenso wie der Mensch, präzise Fingerbewegungen ausführen, wie den sogenannten Pinzettengriff, und sogar Werkzeuge benutzen. Dabei hilft auch ihr verhältnismäßig großes Gehirn.
Weiterhin haben Menschenaffen eine ausgeprägte Farbensicht und können die Welt dreidimensional wahrnehmen. Wohl besonders vertraut erscheint uns auch die Mimik und Gestik der Menschenaffen: Sie können lächeln und sogar lachen. Dies klingt allerdings mehr nach einem Husten. Mit den Schimpansen teilen wir außerdem den Aufbau des Blutgruppensystems (A, B und Null).
Doch auch die Unterschiede zum Menschen sind eindeutig: Die Füße der Menschenaffen sind wesentlich flexibler als unsere Füße, da ihr großer Zeh – ebenso wie der Daumen – opponierbar ist. Diese anatomische Voraussetzung vereinfacht das Klettern, erschwert aber das Gehen (insbesondere das Abrollen über den Ballen).
Zudem haben Menschenaffen 48 und Menschen 46 Chromosomen. Unser zweites Chromosom ist dabei eine Kombination aus dem zweiten und dritten der Menschenaffen.
Affige Gesellschaft
Mit Ausnahme des Orang-Utans sind Menschenaffen sehr soziale Tiere, die in Gruppen zusammenleben und klare hierarchische Strukturen aufbauen. In einigen Belangen ähneln sie uns dabei so sehr, dass einem ihre alltäglichen Verhaltensweisen und Probleme richtig "menschlich" vorkommen.
So kommunizieren Menschenaffen zum Beispiel ausgiebig miteinander: Zwar fehlen ihnen die anatomischen Voraussetzungen für eine menschenähnliche Sprache (vor allem im Gehirn und am Kehlkopf), aber sie verfügen über ein vielfältiges System von eindeutigen Gesten, die sprachähnlich eingesetzt werden.
Emanzipation ist für Menschenaffen hingegen kein Thema: Die Familien werden stets vom stärksten Männchen angeführt. Bei zum Teil blutigen Machtkämpfen wird die Hierarchie in der Gruppe festgelegt.
Doch nicht nur innerhalb einer Familie gibt es Gewalt. Menschenaffen führen mitunter regelrechte Kriege gegen andere Sippen – eine traurige Gemeinsamkeit, die sie mit dem Menschen teilen. Die bekannte Primaten-Forscherin Jane Goodall begründet dieses Verhalten mit einer "Angst vor allem Fremden" – auch das klingt sehr bekannt.
Doch meist dient der soziale Kontakt zwischen den Tieren als Bindemittel für die Gemeinschaft. Menschenaffen wissen, dass sie in der Gruppe stärker sind und verbringen sehr viel Zeit damit, die Familienbande zu pflegen. Das gegenseitige Lausen und Kraulen gehört daher zum Alltag. "Selbstlosigkeit" ist für Menschenaffen auch kein Fremdwort.
An der Universität Kyoto in Japan beobachteten Forscher, dass zwei Schimpansen Werkzeuge austauschten, um einander zu helfen. Und das, obwohl sie keine direkte Belohnung des jeweils anderen erwarten konnten.
Gorillas gehen sogar noch weiter: Wenn ein Raubtier die Familie angreift, dann stellt sich das Alpha-Männchen dem Kampf, um die Familie zu schützen, auch wenn es dabei verletzt oder getötet werden könnte.
Auch erotische Beziehungen sind bei manchen Menschenaffen so kompliziert wie beim Menschen: Bonobos zum Beispiel haben schwulen und lesbischen Sex, Schimpansen "kaufen" die Gunst von Weibchen gezielt mit Obst und manchmal "verabreden" sich gebundene Weibchen abseits der Gruppe zu einem ungestörten Schäferstündchen mit einem anderen Männchen.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 10.08.2020)