Metallrohstoffe
Aluminium
Aluminium ist ein universell einsetzbarer Werkstoff. Seit Jahrzehnten nimmt der Pro-Kopf-Bedarf in Deutschland zu. Doch es wächst auch der Verdacht, dass unser Umgang mit Aluminium zu gesundheitlichen Risiken führt. Die Forschungslage ist allerdings lückenhaft.
Von Andrea Wille
- Beliebtes Material – teuer in der Herstellung
- Aluminium versteckt sich in vielen Dingen unseres Alltags
- Der Grenzwert für Aluminium wird schnell überschritten
- In großen Mengen ist Aluminium giftig
- Aluminium und Alzheimer – ein jahrzehntealter Verdacht
- Aluminium und Brustkrebs: Die Studienlage ist unbefriedigend
- Die lückenhafte Studienlage erschwert die Risikobewertung
Beliebtes Material – teuer in der Herstellung
Seine Eigenschaften machen Aluminium zu einem beliebten Material in der Industrie: Es hat eine geringe Dichte und ist trotzdem stabil, es hat eine hohe elektrische Leitfähigkeit und eine hohe Korrosionsbeständigkeit – das Metall reagiert bei Raumtemperatur mit der Luft und bildet so eine schützende Oxidschicht.
Deutschland hat mit fast 40 Kilogramm pro Einwohner im Jahr den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch weltweit. Das meiste Aluminium benötigt die Automobilproduktion. Im Schnitt stecken 150 Kilogramm Aluminium in einem Pkw. Durch die Leichtigkeit des Metalls wird das Gewicht und damit der Spritverbrauch reduziert.
In der Erdkruste ist Aluminium das dritthäufigste Element nach Sauerstoff und Silicium. Da Aluminium sehr reaktionsfreudig ist, tritt es nur in gebundenem Zustand mit anderen Elementen auf. Um reines Aluminium zu gewinnen, muss es daher erst in mehreren Arbeitsschritten aus einer festen Verbindung herausgelöst werden.
In der Kritik: Aluminiumhütten verbrauchen viel Strom
Das Mineralerz Bauxit bildet das Ausgangsmaterial für die Aluminiumproduktion. Daraus wird zunächst Tonerde gewonnen, die in der Aluminiumschmelze zu metallischem Aluminium weiterverarbeitet wird. Besonders die Aluminiumschmelze ist extrem energieaufwendig.
Die Firma Trimet benötigt beispielsweise in ihrer Essener Alu-Hütte so viel Strom wie die gesamte Stadt Essen, inklusive der übrigen Industrieanlagen. Die Wiederverwertung verbraucht im Vergleich zur primären Herstellung nur fünf Prozent der Energie. Daher ist Aluminium für das Recycling so attraktiv.
Aluminium wird fast ausschließlich aus Bauxit-Tonerde-Granulat hergestellt
Aluminium versteckt sich in vielen Dingen unseres Alltags
Aluminium wird nicht nur in den meisten Fahrzeugen verwendet, auch in unseren Häusern und Wohnungen ist es allgegenwärtig – beispielsweise in Fensterrahmen. Es steckt außerdem in vielen Alltagsgegenständen, mit denen wir ständig in Berührung kommen: Es findet sich in Lippenstiften, Sonnencremes, Zahnpasta, Medikamenten gegen Sodbrennen, Kochtöpfen oder Espressokannen.
Weil es acht Prozent der Erdkruste ausmacht, ist es auch von Natur aus in Lebensmitteln wie Tee und Schokolade enthalten, und sogar im Trinkwasser kann es vorkommen. Als kritisch werden insbesondere Deodorants mit Aluminiumsalzen angesehen. Werden sie nach der Rasur aufgetragen, können größere Mengen des Aluminiums in die Haut gelangen.
Der Grenzwert für Aluminium wird schnell überschritten
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Aluminium einen sogenannten tolerierbaren wöchentlichen Einnahmewert definiert – den TWI (tolerable weekly intake). Er liegt bei einem Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht. Das heißt: Für einen 70 Kilogramm schweren Erwachsenen liegt der Grenzwert für die Menge Aluminium, die man wöchentlich nicht überschreiten sollte, bei 70 Milligramm.
Laut Berechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung ist dieser Grenzwert im Alltag relativ schnell erreicht. Unklar ist jedoch, welche gesundheitlichen Folgen das hat. Denn zwischen dem Grenzwert und tatsächlich giftigen Dosen liegt ein großer Sicherheitsabstand.
Schokolade enthält auch von Natur aus Aluminium
In großen Mengen ist Aluminium giftig
Aus Tierexperimenten ist bekannt, dass Aluminium in großen Mengen für das Gehirn giftig ist. Auch beim Menschen sind Aluminiumvergiftungen bekannt – wenngleich sie auch extrem selten sind.
Anfang der 1970er-Jahre trat eine merkwürdige Krankheit gehäuft auf: die Dialyse-Enzephalopathie. Nierenpatienten, die regelmäßig Dialyse bekamen, zeigten vielfältige neurologische Symptome wie Sprachstörungen, Krampfanfälle, Halluzinationen und Verwirrtheit bis zur Demenz. Außerdem kam es bei einigen Patienten zu Knochenschmerzen und Knochenbrüchigkeit sowie zur Blutarmut.
Es dauerte ein paar Jahre, bis die Ursache identifiziert werden konnte: Den Patienten wurde damals hohe Konzentrationen Aluminium über die Dialyselösung zugeführt. Die Krankheit hat gezeigt, auf welche Organe und Gewebe Aluminium in hohen Mengen toxisch wirken kann: vor allem auf das Gehirn, die Knochen und das blutbildende System.
In den 1970ern enthielt Dialyseflüssigkeit noch Aluminium
Aluminium und Alzheimer – ein jahrzehntealter Verdacht
Seit einigen Jahrzehnten hält sich die These, dass Aluminium an der Entstehung der Alzheimer-Krankheit beteiligt sein könnte. Den Grundstein legten Tierexperimente aus den 1960er-Jahren: Die Gabe von Aluminium in der Nahrung oder über Injektionen ins Gehirn der Tiere führte zu Gedächtnisstörungen und zu Veränderungen innerhalb der Nervenzellen, die denen bei der Alzheimer-Krankheit ähnlich sind.
Ein weiterer Hinweis waren größere Mengen Aluminium, die Forscher in den Gehirnen verstorbener Alzheimer-Patienten fanden. Doch es bleibt unklar, ob das Aluminium die Ursache für die Alzheimer-typischen Veränderungen ist oder ob sich Aluminium erst nach der Entstehung von Alzheimer in den erkrankten Regionen anlagert. Die meisten Alzheimer-Experten halten derzeit einen Zusammenhang für unwahrscheinlich.
Andere, wie der britische Forscher Christopher Exley, sind überzeugt davon, dass es ohne Aluminium kein Alzheimer gäbe. Doch bislang konnte ein ursächlicher Zusammenhang nicht bewiesen werden.
Unklar: Besteht ein Zusammenhang zwischen Aluminium und Alzheimer?
Aluminium und Brustkrebs: Die Studienlage ist unbefriedigend
Einige Wissenschaftler haben das Aluminium in Verdacht, auf die Entstehung von Brustkrebs einen Einfluss zu haben. Ein Grund: Forscher nahmen an, Tumore würden häufiger in Achselnähe gefunden, also dort, wo auch Deos mit Aluminium aufgetragen werden. Doch eine größere Untersuchung konnte diese Beobachtung nicht bestätigen. Auch zu der Frage, ob Aluminium Brustkrebs begünstigt, ist die Studienlage nicht eindeutig.
Eine Studie aus dem Jahr 2017 aus Innsbruck gab der Hypothese jedoch neuen Aufwind: Über 200 Patientinnen mit Brustkrebs wurden zu ihrem Deokonsum befragt. Außerdem wurde im Brustgewebe die Aluminiumkonzentration gemessen.
Das Ergebnis: Vor allem Frauen, die sagten, dass sie in jungen Jahren mehrmals täglich Deodorants verwendet haben, wiesen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf. Außerdem hatten Frauen mit Brustkrebs eine höhere Aluminiumkonzentration im Brustgewebe. Das galt insbesondere für Frauen mit Tumoren in Achselnähe.
Doch auch diese Studie beweist noch keinen ursächlichen Zusammenhang – wenngleich sie ein starker Hinweis ist. Zum einen wurden die Frauen nachträglich über ihren Deodorantkonsum befragt – eine Methode, die vom Wahrheitsgehalt der Erinnerungen und Aussagen der Frauen abhängt. Zum anderen ist bis heute nicht geklärt, wie viel Aluminiumsalze durch die Haut in den Körper eindringen.
Immer mehr Verbraucherinnen verzichten auf den Gebrauch von Aluminiumdeos
Die lückenhafte Studienlage erschwert die Risikobewertung
Eine Risikobewertung unseres Umgangs mit Aluminium im Alltag wird durch die lückenhafte Forschungslage erschwert. Weder ist klar, wie viel Aluminium über die verschiedenen Aufnahmepfade in unseren Kreislauf gelangt, noch welche Schäden es dort genau anrichtet.
Ariane Lenzner vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin erklärt: "Ab welcher Konzentration wird es kritisch? Das weiß man nicht. Wir wissen nicht, was bei einer chronischen Langzeit-Exposition mit geringen Mengen passiert." Viele Experten raten daher aus Vorsorge dazu, da wo es ohne großen Aufwand möglich ist, auf Aluminium zu verzichten.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 15.07.2020)
Quelle: WDR