Die Idee vom Konzerthaus für alle
Am Anfang stand die Idee eines Privatmannes: Der Projektentwickler und Klassikliebhaber Alexander Gérard stellte 2001 dem Hamburger Senat seine Idee vor, ein Konzerthaus auf dem Kaiserspeicher A im Hamburger Hafen zu errichten.
16 Jahre später, am 11. Januar 2017, wurde die Elbphilharmonie zu Beethovens Ouvertüre "Die Geschöpfe des Prometheus" eröffnet. "Elphie", wie die Hamburger ihr 110 Meter hohes Wahrzeichen liebevoll nennen, begeistert seitdem Zuhörer aus der ganzen Welt.
Bereits vor dem ersten Spatenstich formulierte der damalige Bürgermeister Ole von Beust die Ansprüche an das Konzerthaus. Es solle "nicht ein Musentempel für wenige sein, sondern Kultur für alle".
Und auch Thomas Hengelbrock, bis 2018 Dirigent der Elbphilharmonie, stellte klar: "Wir wollen insbesondere den Bürgern dieser Stadt, die bisher noch keine Besucher klassischer Konzerte waren, die Elbphilharmonie aber letztlich mitfinanziert haben, diesen Saal als klingendes Erlebnis zurückgeben".
Es wird teurer und teurer
Doch dafür mussten die Hamburger erst ein Jahrzehnt lang auf eine geldfressende und zeitweise stillgelegte Baustelle blicken. Das Millionengrab, wie es spöttisch betitelt wurde, produzierte eine Hiobsbotschaft nach der nächsten.
Etliche Verschiebungen des Eröffnungstermins und öffentliche Schuldzuschreibungen zwischen den Architekten und dem Baukonzern bestimmten die Schlagzeilen in der Hansestadt. Vor allem jedoch der immer größer werdende Anteil der öffentlichen Hand sorgte für auf Unmut.
"Herausragende Kultur und Architektur haben ihren Preis", sagte Ole von Beust 2006, nachdem der Anteil der Stadt von anfänglich 77 Millionen Euro auf 114,3 Millionen gestiegen war.
Dass sich die Kosten am Ende verzehnfacht hatten und auf insgesamt 789 Millionen Euro für den Steuerzahler stiegen, war spätestens seit der Eröffnung nur noch eine Fußnote. Die Elbphilharmonie ist ein Konzerthaus von Welt. Es scheint, als habe sich das Warten gelohnt. Und auch die Kosten.
Ein Architektur-Meisterwerk
"Wir haben in unserer Karriere viele Bauten in aller Welt erbauen dürfen – darunter das Olympia-Stadion in Peking. Aber dieses Gebäude hier übertrifft alles an Komplexität", sagte Architekt Jacques Herzog. Schon von außen erahnt der Laie, was Herzog damit meint.
Die Glasfassade, die "Gläserne Welle", besteht aus rund 1000 Fassadenelementen. Jedes einzelne Element ist ein Unikat. Zusammen lassen sie das Konzerthaus wie einen riesigen Kristall erscheinen und tragen dazu bei, dass die Fassade sich unter den verschiedenen Licht- und Wettereinflüssen immer wieder verändert.
Markant sind die Scheiben der Loggien in den Wohnungen und Konzertfoyers: Mit ihren großen Ausbuchtungen sollen sie an riesige Stimmgabeln erinnern.
Das architektonische und akustische Meisterwerk lässt sich allerdings vollends nur im Inneren erleben, im Großen Saal. Neben dem Architekten und der Baufirma ist dafür vor allem der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota verantwortlich. Seine Arbeit ist nicht sichtbar, sie wird gehört.
Es kommt auf die Akustik an
Wie schon beim Bau der Pariser Philharmonie oder der Walt Disney Hall in Los Angeles wurde Toyota gerufen, um eine bestmögliche Akustik zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit den Architekten entwarf er das Herzstück der Elbphilharmonie. Sein Ziel: Jeder soll überall gleich gut hören.
Dafür sorgen mehrere Faktoren. Zunächst wurde der Große Saal an 362 Stahlträgern aufgehängt und ist damit vom restlichen Gebäude akustisch entkoppelt und schallisoliert. Möwengeschrei und Schiffslärm dringen nicht mehr in den Konzertsaal und die Klänge der Streicher und Bläser nicht nach außen.
Durch die Weinberg-Architektur sitzen die 2100 Zuschauer zudem höchstens 30 Meter vom Dirigenten entfernt und sind damit so nah an den Künstlern wie in keinem anderen Konzerthaus der Welt. Die Planung dazu erfolgte erstmals vollständig in 3D-Modellen.
Die "Weiße Haut" macht den Unterschied aus
Von Nahem betrachtet erinnert die Weiße Haut an eine Mondlandschaft oder einen Eierkarton. 10.000 Gipsfaserplatten, aus denen die Oberfläche der Wände und Decken zusammengesetzt ist, sollen dafür sorgen, dass jeder im Raum das gleiche Klangerlebnis erfährt.
Sie reflektiert den Klang in jeden Winkel des Raumes zusammen mit einem Reflektor in der Mitte des Deckengewölbes. Damit erfüllt die Overfläche den gleichen Zweck wie der Stuck in barocken Sälen. Damit der Schall nicht entweicht, wurden in Handarbeit alle Fugen mit Silikon verdichtet, insgesamt 15 Kilometer.
Ihre Grundstruktur ist angelehnt an die Wellenform des Daches. Eine besondere Aufgabe für Architekt Ascan Mergenthaler: "Unsere Herausforderung war es, wie können wir so ein Ornament entwickeln, das die akustischen Anforderungen erfüllt und gleichzeitig dem Saal seine Identität und Charakter gibt."
Vieles steckt im Detail
Um beide Ansprüche zu wahren, war ein stetiger Austausch der Architekten mit dem Akustiker Toyota sehr wichtig. Schon Details beeinflussen die Akustik im Großen Saal, etwa die Beschaffenheit der Stuhlvorderseite. Je härter die Vorderseite, desto besser reflektiert der Schall.
"Grundsätzlich sind die Architekten für die Innengestaltung des Konzertsaales verantwortlich", sagte Toyota. "Wenn ein Gestaltungselement toll für die Akustik wäre, aber überhaupt nicht ins Design passt, muss ich zurückstecken." Am Ende trafen sich Architekt und Akustiker oft in der Mitte.
Die 15 mal 15 Meter große Orgel ist so angebracht, dass Konzertgäste sie sogar berühren können. Die Aussichtsplattform, die Plaza, ist öffentlich zugänglich.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 13.05.2020)