Futterneid und Konkurrenzdenken
Seit sich die Bestände des Kormorans nach dem Tiefpunkt in den 1970er-Jahren erholt haben, bekommt der Wasservogel wieder Stress mit dem Menschen. 2008 etwa sollten grelle Scheinwerfer am Bodensee die Kormoraneltern von den Nestern vertreiben. Die Brut sollte damit ausgekühlt und vernichtet werden.
Denn die Fischer fürchteten, dass die Kormorane überhand nehmen und die Fischbestände dezimieren könnten. Mit ihrem Appetit auf Fische gefährden sie angeblich auch geschützte Fischarten.
Das sieht man beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) anders. Für die Naturschützer ist klar: Der Kormoran ist kein ökologisches, sondern ein psychologisches Problem. Der Vogel tritt hier in Konkurrenz mit dem Mensch. Das wirkliche Problem ist demnach der exklusive Anspruch der Angler auf ihre Fische.
Auch mit den anderen Wildtieren in Deutschland gibt es Probleme. Hauptsächlich dann, wenn sie mit uns Menschen die Tafel teilen. Je größer und hungriger, umso schwieriger die Akzeptanz. Beim Kormoran sind es Angler und Fischzüchter, die um ihre Fischbestände fürchten. Wenn Luchs oder Wolf auf ihren Streifzügen das Vieh eines Bauern reißen, können sie kaum mit dessen Sympathie rechnen.
Und auch mancher Jäger ist wenig begeistert, wenn "sein" Wild dezimiert wird. Immer wieder werden vor allem im Bayerischen Wald illegale Abschüsse von Luchsen gemeldet.
Naturschützer sehen die größte Gefahr für den Luchsbestand im Bayerischen Wald in der geringen Akzeptanz bei den Jägern. Diese würden keine Beutekonkurrenten dulden und das Wild ausschließlich für sich selbst beanspruchen.
Die großen Unbekannten
Angst und Unsicherheit wachsen mit der Größe der wilden Tiere. Wir haben verlernt, mit ihnen zu leben, haben Berührungsängste und wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen. Was, wenn wir ihnen im Wald begegnen? Martin Klatt, Referent für Artenschutz des NABU Baden-Württemberg, ist sicher, dass selbst die großen Raubtiere wie Wolf, Luchs und Bär für den Menschen nicht gefährlich sind.
Schon allein deswegen, weil wir ihnen in der Regel gar nicht begegnen. Die Tiere sind sehr scheu und gehen uns aus dem Weg, sagt Klatt. Selbst die Wildtierforscher müssen sich lange und intensiv auf Spurensuche machen, wenn sie ihren Forschungsobjekten begegnen wollen.
Martin Klatt sieht in einem Auto, das mit 50 Kilometern pro Stunde durch eine Tempo-30-Zone fährt, eine weit größere Gefahr, als sie von den Wildtieren ausgeht. Der einzige Unterschied: An diese Gefahr haben wir uns gewöhnt.