Historischer Hintergrund
Diesen unvorstellbaren Reichtum soll der hinterhältige Vasall Hagen von Tronje kurzerhand in den Rhein gekippt haben – eine Sage, an der sich seit Jahrhunderten die Phantasien von Schatzsuchern und Romantikern entzünden. Noch heute hoffen viele Leute, den Schatz zu finden. Sie suchen nicht nur im Rhein, sondern auch an manch anderem Ort.
Ein anonymer Autor dichtete das berühmte mittelhochdeutsche Heldenepos um 1200 nach Christus nach mündlichen Überlieferungen. Das Nibelungenlied spielt zur Zeit der Völkerwanderung und erzählt vom Untergang der Burgunder.
Gegen Ende des 4. Jahrhunderts war der ostgermanische Stamm von der Weichsel an den Rhein gewandert. Um 410 siedelten die Burgunder in der Gegend um Worms. Im Jahr 436 wurden sie von den Hunnen vernichtet.
Die Handlung des Epos
Der junge Recke Siegfried kommt aus Xanten an den Hof der Burgunder-Könige in Worms, um die schöne Kriemhild zu heiraten. Er ist bereits im Besitz des gigantischen Schatzes. Hagen von Tronje, ein Vasall der Könige, erzählt seinen Herren, wie Siegfried an die Reichtümer kam.
Siegfried soll den unermesslichen Hort des Königs Nibelung im Kampf gegen Hunderte von Gegnern gewonnen haben, darunter zwölf Riesen und der Zwerg Alberich, der über Riesenkräfte verfügt. Nebenbei besiegte Siegfried auch noch einen Drachen und wurde durch das Bad in dessen Blut unverwundbar.
Siegfried besiegt den Drachen
Die Burgunder nutzen Siegfrieds Stärke für ihre Zwecke. So muss er für König Gunther die bärenstarke Brunhild durch einen Zweikampf für sich gewinnen. Erst danach darf er seine angebetete Kriemhild heiraten. Als Brunhild später von dem Betrug erfährt, lässt sie Siegfried aus Scham und Wut durch Gunthers mächtigsten Vasallen Hagen heimtückisch ermorden.
Die arglose Kriemhild hatte ihm die einzige Stelle verraten, an der Siegfried verwundbar war. Auf sein Schulterblatt war nämlich ein Lindenblatt gefallen, als er in dem Blut des getöteten Drachen Fafnir badete, das ihn ansonsten unverwundbar machte.
Der Schatz des Nibelungen geht deshalb an Siegfrieds Witwe Kriemhild. Mit reichen Geschenken will sie fremde Helden nach Worms holen, um sich für den Mord an ihrem geliebten Mann zu rächen.
Der Schatz wird versenkt
Hagen von Tronje wittert Unheil. Er trickst Kriemhild ein zweites Mal aus, stiehlt ihr den Schatz und versenkt ihn im Rhein. Nur er und die drei Burgunderkönige wissen, wo genau der Hort im Fluss verborgen ist.
Doch die verbitterte Kriemhild lässt von ihren Racheplänen nicht ab. Sie heiratet Etzel, den Hunnenkönig, und lockt die Burgunder zu einem Fest an dessen Hof. Dort tötet sie ihre Brüder und schließlich auch Hagen, der das Geheimnis des Verstecks mit in den Tod nimmt.
Hagen von Tronje ermordet Siegfried hinterrücks
Im Nibelungenlied heißt es: "Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein" – eine Textzeile, die immer wieder Schatzsucher auf den Plan gerufen hat. In der Nähe von Worms soll Hagen das Geschmeide in den Fluss gekippt haben. Loch, eine typische Bezeichnung für tiefe, schwer passierbare Stellen im Rhein, lässt Forscher auf den sogenannten "Schwarzen Ort" bei Gernsheim schließen. Dort befindet sich das schärfste Rheinknie.
Doch obwohl Taucher den Flussabschnitt wiederholt mit Echolot und Radar abgesucht haben, fehlt von dem sagenhaften Nibelungenhort bisher jede Spur.
Deshalb glauben andere Forscher, dass der Schatz nie im Rhein versenkt wurde. Sie vermuten ihn zum Beispiel in einer Höhle bei Soest oder in einem Acker in der Nähe des Dörfchens Rheinbach.
Mit Richard Wagner auf Schatzsuche
Auch der Komponist Richard Wagner war von den Nibelungen und ihrem sagenhaften Schatz fasziniert. Mehr als 30 Jahre lang hatte er sich mit dem Mythos beschäftigt, bevor er sein dreiteiliges Bühnenfestspiel "Der Ring des Nibelungen" 1876 in Bayreuth uraufführen konnte.
Dem Schatz widmete er dabei eine eigene Oper: "Das Rheingold". Sie ist als eine Art Vorspiel zu den drei Ring-Opern "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" gedacht und wurde am Vorabend des dreitägigen Festspiels aufgeführt. Die Komposition schloss Wagner bereits 1854 ab.
"Das Rheingold" erzählt von den drei Rhein-Töchtern Woglinde, Wellgunde und Flosshilde, die den Schatz im Rhein bewachen sollen. Sie spielen in den Wellen und nehmen ihre Aufgabe nicht sonderlich ernst: Schließlich kann den Schatz nur stehlen, wer für immer der Liebe entsagt.
Die drei Rhein-Töchter sollten den Schatz bewachen
Der Zwerg Alberich, der die Nixen beobachtet, entscheidet sich für den Liebesverzicht und raubt das Rheingold. Er schmiedet daraus einen Ring, in dem alle Macht der Welt liegt. Zwischen Riesen, Göttern, Zwergen und Menschen entbrennt daraufhin ein mörderischer Kampf um den Ring.
Wagners Nibelungen-Opern beruhen weniger auf dem Nibelungenlied als vielmehr auf der nordischen Helden- und Götterdichtung "Edda" und der skandinavischen "Wälsungensage". Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Elementen, die der Komponist frei erfunden hat, wie etwa die Rhein-Nixen.
Der Ring, den Alberich aus dem Gold der Rhein-Töchter schmiedet, wird zum zentralen Symbol der Macht: Er verstrickt seine Besitzer in eine Kette von Verbrechen und Intrigen. Der Untergang dieser Welt ist unausweichlich, doch in der Musik schwingt die Hoffung auf eine neue Ordnung, in der die Liebe die Oberhand haben wird.
(Erstveröffentlichung: 2002. Letzte Aktualisierung: 25.05.2020)
Quelle: WDR