Ein Mann dirigiert mit dem Taktstock in der Hand.

Orchester

Der Taktstock

Taktstöcke gelten als das Musikinstrument der Dirigenten, nüchterne Zeitgenossen sehen darin auch die Verlängerung seines Unterarmes. Klar ist, dass ein Dirigent mit dem Taktstock selbst zwar keine Töne erzeugt, wohl aber große Orchester zum Klingen bringt.

Von Sabine Kaufmann

Ob Zahnstocher, zusammengerolltes Notenblatt oder Geigenbogen: Die Liste der Gegenstände, mit denen Dirigenten ihrem Orchester den Takt vorgegeben haben, ist lang. Der Taktstock ist heutzutage kein Machtsymbol mehr, sondern vielmehr ein Kommunikationsmittel, um die beste Musik aus den Musikern herauszulocken.

Der verlängerte Unterarm des Dirigenten

Die Zeiten, in denen ein Dirigenten-Halbgott wie Arturo Toscanini aus Rage seinen Taktstock ins Orchester warf, sind vorbei. Und die Gefahr, dass die hölzernen Taktstöcke dabei zu Bruch gehen, ist auch gebannt. Heute werden Taktstöcke überwiegend aus Fiberglas oder Kohlefaser hergestellt.

Im Zeitalter des Barock dirigierten die Kapellmeister mit großen Zeremonienstäben. Den Takt schlugen sie mit großen Stöcken auf den Boden. Der französische Dirigent und Komponist am Hofe Ludwigs XIV., Jean Baptiste Lully, rammte sich beim Dirigieren den Stock auf die Zehen und verletzte sich so sehr, dass er an Wundbrand starb. Daraufhin wurden die Taktstöcke erheblich kleiner, dünner und leichter.

Meist wird ein Taktstock individuell der Größe des Dirigenten angepasst und entspricht in etwa dem Abstand zwischen seinem Ellenbogen und der Handfläche.

Dirigenten und ihre Taktstöcke

Jeder Dirigent hat bezüglich seines Taktstockes eigene Vorlieben. Der Brite Sir Colin Davis (1927-2013), der unter anderem dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vorstand, bevorzugte immer die gleichen Taktstöcke, die genau 16 Inches (40,64 Zentimeter) lang sein mussten.

Ohne Taktstock zu dirigieren, kam für ihn nicht infrage, denn der Stab gab ihm die Möglichkeit, mit vielen Gesten seine Interpretation der Musik wiederzugeben. Für ihn war der Taktstock "kein Zeichen für Autorität", sondern vergleichbar mit einem Pinsel oder einer Angel.

Simone Young – eine der wenigen Dirigentinnen in Deutschland und lange Zeit Generalmusikdirektorin der Hamburger Staatsoper – dirigiert nur ungern ohne Taktstock. Für sie wäre es nach eigenen Worten wie Essen ohne Messer und Gabel. Der Taktstock verhilft ihr zu mehr Präzision beim Dirigieren.

Trotzdem bewundern viele den Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez (1925-2016), der auf den Taktstock grundsätzlich verzichtete. Der Franzose, der sich selbst als Ausnahme begriff, hatte eine eigene Technik entwickelt, die die Unabhängigkeit beider Hände ermöglichte.

Bei rhythmischer Musik wurde die Hand ganz steif, einen harten Akkord dirigierte er mit einer Faust, die sich löste, sobald der Klang leichter und weicher wurde. Das Zusammenspiel zwischen Orchester und Dirigent funktionierte optimal, da die Musiker Pierre Boulez’ optische Signale verstehen und umsetzen konnten.

(Erstveröffentlichung 2007, letzte Aktualisierung 11.06.2018)

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Quelle: SWR

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