Herakles – listiger Halbgott
Herakles, Sohn des Zeus, war bekannt für seinen Mut. Zwölf Aufgaben, die er für den Herrscher Eurystheus ausführen musste, machten ihn zum Helden. Eine seiner letzten Aufgaben bestand darin, die Äpfel der Hesperiden zu rauben. Doch diese goldenen Äpfel, die die Erdgöttin Gaia einst für ihre Enkel Zeus und Hera im Garten der Hesperiden gepflanzt hatte, wurden scharf bewacht.
Der Drache Ladon war von Hera beauftragt worden, die Äpfel zu hüten und wohl ebenfalls die schönen Gärtnerinnen, die Hesperiden. Es wird erzählt, Herakles habe den Drachen durch List besiegt. Er bekämpfte den Drachen nicht selbst, sondern bat Atlas, den Nachbarn der Hesperiden, für ihn die Äpfel zu holen. Atlas willigte gerne ein, denn er sah eine Chance, dadurch den Himmel loszuwerden, den er auf seinen Schultern tragen musste.
Doch Herakles war schlauer. Zwar ging er zunächst auf den Trick des Atlas ein und übernahm den Himmel, aber kaum hatte Atlas die Äpfel besorgt, bat Herakles ihn unter einem Vorwand – je nach Überlieferung der Wunsch nach einem Kissen oder das Stören eines Steins im Schuh – den Himmel noch einmal kurz zu halten, damit er ihn auch wirklich sicher tragen konnte. Für diese kurze Zeit nahm Atlas den Himmel wieder auf seine Schultern – und trägt ihn wohl bis heute.
Auch der Drache Ladon existiert heute noch, denn Hera hat ihn laut Legende als Sternbild an den nördlichen Himmel versetzt. Die Äpfel hingegen kamen wieder zu ihren Eigentümern, den Göttern, zurück. Herakles aber blieb das Wappen des Drachen, das er fortan auf seinem Schild trug.
Der heilige Michael – Heerführer der Engel
Nicht nur die Griechen und Römer kannten Drachen und Drachenkämpfer, auch die Bibel hat ihre Helden. In der Offenbarung wird von dem Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen erzählt. Der Drache, den Michael im Himmel zu bekämpfen hat, hat sieben Köpfe und zehn Hörner.
Dieser Drache beabsichtigt, ein göttliches Kind zu rauben und zu verschlingen. Michael kämpft mit all seinen Engeln gegen ihn an. Es gelingt ihm zwar nicht, den Drachen zu töten, doch er schleudert ihn zur Erde hinab, wo er als Satan die Menschen in die Irre führt.
Vertrauter ist uns die Schlange, die Adam und Eva im Paradies verführte. Da zwischen Schlangen und Drachen früher noch kein Unterschied gemacht wurde, mag mit ihr in Wirklichkeit ein Drache gemeint gewesen sein.
Und es war der Engel Michael, der Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb. Der Drache stand also sinnbildlich für den Satan. Im Zeitalter der Kreuzzüge symbolisiert der Drachenkampf dann häufig den Kampf der christlichen Ritter gegen die "Ungläubigen".
Sigurd und Siegfried – Bad im Drachenblut
Zwischen 1200 und 1270 entstand die Völsungasaga. Sie erzählt vom jungen Sigurd und dem Drachen Fáfnir. Fáfnir war früher ein Mensch, habgierig und bösartig. Um an den Schatz in der Gnitaheide zu kommen, verwandelt er sich in einen Drachen. Doch der Schatz, den er fortan bewacht, ist verflucht, und mit ihm derjenige, der ihn besitzt.
Jeder in der näheren Umgebung kennt das Ungeheuer, jeder weiß um seine Größe und seine Grausamkeit, natürlich auch Sigurd. Regin, der Bruder Fáfnirs und der Pflegevater Sigurds, ermutigt den jungen Pflegesohn dennoch, sich den Schatz anzueignen. Es dauert eine Weile, bis Sigurd ein sagenhaftes Schwert sein eigen nennen und in den Kampf ziehen kann.
Sigurd macht den Drachenkampf nun zu seiner eigenen Sache und vergisst dabei den Fluch, der auf dem Schatz liegt. Eigenartigerweise ist es der Drache, der ihn darauf aufmerksam macht, und fast scheint es, als habe Fáfnir den Schatz nur deshalb bewacht, um die Menschen vor seinem Fluch zu beschützen.
Als Sigurd ihn tödlich trifft, erinnert Fáfnir ihn daran: Wer das Gold an sich nimmt, soll sterben. Sigurd aber ist so besessen von dem Schatz, dass er die durchaus weisen Worte des Drachen nicht vernimmt.
Im Nibelungenlied erzählt Hagen die gleiche Geschichte von der Kindheit Siegfrieds. Eine Geschichte mit Folgen. Siegfried badet im Blut des getöteten Drachen, das ihn unverletzlich machen soll.
Doch unglückseligerweise fällt während des Bades ein Lindenblatt auf seine Schulter. Genau an dieser Stelle soll Siegfried verletzbar bleiben – und schließlich durch eine Wunde an dieser Stelle sterben, so wie es der Fluch vorgesehen hatte.
Sankt Georg – Retter und Missionar
Obwohl Georg schon im Jahr 300 gelebt haben soll, erzählt man erst seit dem Mittelalter von seinem Kampf mit einem Drachen. Ort des Drachenkampfes ist die Stadt Selene in Libyen. In der Nähe dieser Stadt haust in einem See ein feuerspeiender Drache, der die Bewohner dieser Gegend in Angst und Schrecken versetzt.
Zunächst können sie den Drachen besänftigen, indem sie ihm täglich zwei Schafe opfern. Doch bald gibt es keine Schafe mehr und die Bewohner sehen sich gezwungen, dem Drachen Menschen zu opfern, die sie durch Los auserwählen.
Eines Tages trifft das Los auch Cleolinda, die einzige Tochter des Königs. Als sie dem Drachen übergeben wird, kommt Georg herangeritten. Mit seinem Speer überwältigt er den Drachen und befreit Cleolinda.
Mit dem verwundeten Drachen im Schlepptau reitet er mit der Königstochter zurück in die Stadt, wo er den Einwohnern erklärt, dass nur Gott dieses Wunder bewirkt habe. Die Bewohner lassen sich zum Christentum bekehren und Georg gibt dem Drachen den letzten tödlichen Hieb.
Sein Mut wird Legende und der heilige Georg wird in allen christlichen Konfessionen verehrt. Viele Städte und Länder machen ihn zu ihrem Schutzpatron. Er wird der Beschützer der Soldaten, der Sattler und sogar der Pfadfinder.
Die katholische Kirche allerdings streicht ihn 1969 aus ihrem Heiligenkalender, da ungewiss bleibt, ob er jemals wirklich gelebt hat.
Jim Knopf – gnädiger Drachenbezwinger
Manchmal passiert es, dass ein Drache zwar besiegt, aber nicht getötet wird. Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, verschonen in der Geschichte von Michael Ende den Drachen Frau Mahlzahn. Wie viele Drachenkämpfer vor ihnen, zieht es auch seine beiden Helden wegen einer Prinzessin in den Kampf mit dem Drachen. Die Prinzessin Li Si wurde von Frau Mahlzahn in die weit entfernte Drachenstadt entführt.
Die Reise dorthin ist beschwerlich und die beiden Helden müssen viele Mutproben bestehen. Sie durchqueren den "Tausend-Wunder-Wald", das "rot-weiß-gestreifte Gebirge", das "Tal der Dämmerung" und die Wüste namens "Ende der Welt", bis sie schließlich im "Land der tausend Vulkane" landen, in dem die Drachenstadt liegt.
Dort hält der fürchterliche Drache Frau Mahlzahn die Prinzessin und viele andere Kinder in ihrer Gefangenschaft. Doch nicht mit Schwert und Degen bekämpfen Jim und Lukas den Drachen, sondern mit der aufopfernden Hilfe ihrer Lokomotive Emma. Auch töten sie den Drachen nicht, sondern nehmen ihn mit auf ihre Reise nach Hause.
Unterwegs erzählt ihnen der Drache davon, dass diejenigen Drachen, die nicht getötet werden, das Glück haben, sich in den "Goldenen Drachen der Weisheit" zu verwandeln. Und kaum sind die Worte ausgesprochen, da beginnt die wundersame Verwandlung von Frau Mahlzahn in einen goldenen Drachen.
Ein ebenso barmherziger Drachenbezwinger wie Jim Knopf ist Shrek. Der grüne Oger aus dem gleichnamigen computeranimierten Kinofilm befreit zwar auch eine Prinzessin aus den Klauen eines Drachen, verschont aber dessen Leben. Das wiederum freut Shreks besten Kumpel Esel, der mit dem Drachen eine feurige Beziehung beginnt.
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 26.05.2020)