Die Sterbephasen durchlaufen nicht unbedingt immer dieselbe Reihenfolge. Manchmal kommt es auch zu Rückschlägen, das heißt, der Sterbende durchläuft einzelne Phasen mehrmals.
Phase 1: Hoffnung auf Irrtum
Die erste Phase nennt die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross "Nicht-Wahrhaben-Wollen" (englisch "denial"): In diesem Stadium erfährt der Betroffene von seiner tödlichen Krankheit und will diese nicht wahrhaben. Er glaubt an eine Verwechslung, an die mangelnde Kompetenz seiner Ärzte und sucht andere Mediziner auf, in der Hoffnung, diesen Irrtum aufzuklären.
Oft ändern Betroffene zunächst nichts in ihrem Leben, sondern leben weiter wie zuvor. Der Palliativmediziner Professor Christoph Student rät Sterbebegleitern in dieser Phase dazu, dieses Verhalten zu akzeptieren: "Manchmal möchten wir die Kranken in dieser Phase am liebsten schütteln, wachrütteln: 'Sieh doch, wie es um dich wirklich steht. Vertu' keine Zeit mit unnötigen weiteren Untersuchungen. Fang endlich mit der Behandlung an.' Aber das ist unsere Sicht. Sie mag für uns richtig sein. Aber das zählt jetzt nicht." Anderes sei gefragt: dabei zu bleiben, die Kranken nicht alleine zu lassen und (aktiv) zuzuhören.
Christoph Student: Das Verhalten des Sterbenden akzeptieren
Phase 2: Frage nach dem Warum
Die zweite Phase ist die des "Zorns" (englisch "anger"): Der Sterbende hat seine Diagnose angenommen, reagiert aber negativ auf seine Umwelt, beschimpft möglicherweise gesunde Personen, weil er getrieben ist von der Frage: Warum trifft es ausgerechnet mich?
In dieser Phase findet der Sterbende ein Ventil, um Dampf abzulassen, erklärt Christoph Student: "Solange wir den Zusammenhang zwischen der Krankheit und der wütenden Reaktion erkennen können, lässt sich das alles vielleicht ganz gut aushalten.
Schwieriger wird es, wenn der kranke Mensch einfach nur nörgelig ist, wir es ihr oder ihm in keiner Weise recht machen können, wenn uns die Kranken durch ständiges Klingeln auf Trab halten, wenn viele unterschwellige kleine Nadelstiche uns zur Weißglut bringen."
Sein Rat an die Helfenden: sich selbst schützen, aber nicht von dem Kranken abwenden. Sinnvoller sei es, dem Betroffenen nahe zu bleiben und seine berechtigten Klagen ernst zu nehmen, sich aber dennoch emotional so weit abzugrenzen, dass die Helfer die Reaktionen des Sterbenden ertragen können.
Die zweite Sterbephase ist durch Wut geprägt
Phase 3: Wunsch nach Aufschub
In der dritten, meist eher kurzen Phase des "Verhandelns" (englisch "bargaining") versucht der Kranke, Aufschub zu bekommen. Er verhandelt mit Ärzten, Vertrauten und Gott darüber, was er tun würde, wenn ihm diese Zeit gewährt würde – oft stehen Wünsche wie das Miterleben familiärer Ereignisse wie Geburten oder Hochzeiten im Mittelpunkt.
Der Sterbende gibt sich kooperativ, nimmt an vielen Therapien teil. Helfende sollten sich vor Bewertungen hüten, rät der Palliativmediziner Christoph Student. Ein Stück weit sei in dieser Hinsicht Unterstützung gut: "Die Hoffnung zulassen – allerdings ohne Hoffnungen, die wir für unrealistisch halten, zu schüren."
Phase 4: Trauer um vergebene Chancen
Die vierte Sterbephase ist die der "Depression" (englisch "depression"): Der Todkranke verfällt in eine depressive Stimmung, trauert möglicherweise vergebenen Chancen im Leben nach. Aber auch die Trauer um sein Leben, das er verlieren wird, ist in dieser Phase präsent. Oftmals kümmern sich Sterbende genau zu diesem Zeitpunkt um Dinge, die sie noch selbst regeln wollen, wie beispielsweise um ihr Testament.
Nach Kübler-Ross ist diese Sterbephase auch dadurch gekennzeichnet, dass der Kranke nun keine neuen Therapien zulassen möchte, obwohl Angehörige und Ärzte möglicherweise noch eine Chance darin sehen. Kranke Menschen haben in dieser Zeit oft ein großes Mitteilungsbedürfnis. Student erklärt einen anderen Aspekt dieses Stadiums: "Sie möchten ihre Trauer ausdrücken, sie möchten, dass wir ihre Klagen hören. Es tut ihnen gut, wenn wir ihnen intensiv zuhören."
Wenn der kranke Mensch einen Teil seiner Last formuliert habe, sei er vielleicht diesen Teil der Last losgeworden, und sei erleichtert. "Wenn wir dagegen versuchen zu trösten, stopfen wir ihm sozusagen den Mund", so Student. Manche Schwerkranke seien in dieser Phase erleichtert, wenn die Pflegenden sie bei der wichtigen Frage unterstützten, wie das Leben ihrer Familie ohne sie weitergehen könne.
In der vierten Phase ist der Patient in depressiver Stimmung
Phase 5: Abkopplung von der Umwelt
Die fünfte und letzte Sterbephase nach Kübler-Ross erreichen nicht alle Sterbenden: "Akzeptanz" (englisch "acceptance"). Viele Sterbende haben nun ihr Schicksal voll und ganz akzeptiert. Sie koppeln sich langsam von ihrer Umwelt ab, verspüren oft keinen großen Wunsch mehr, Besucher zu empfangen, und auch längere Gespräche sind nicht mehr erwünscht.
Der Palliativmediziner Christoph Student stellt fest: "Als Helfende sind wir nur noch als stille Teilnehmer gefordert, die ohne Angst wahrnehmen können, dass jetzt Schweigen die sinnvollste Art der Kommunikation ist."
Besonderes Augenmerk sollten Sterbebegleiter jetzt auf die Angehörigen richten, indem sie ihnen klarmachten, dass der Rückzug des geliebten Menschen nichts mit Zurückweisung zu tun habe, sondern dass er sich nur wünsche, sterben zu dürfen.
"Es kommt jetzt nicht darauf an, dass die Angehörigen den sterbenden Menschen loslassen, ihn gehen lassen. Das ist meistens zu viel verlangt und stellt eine unnötige Überforderung dar." Aber vielleicht gelinge es den Angehörigen, so etwas wie eine Erlaubnis zu erteilen, dass der sterbenskranke Mensch jetzt gehen dürfe, so Student.
Elisabeth Kübler-Ross entwarf die Theorie der fünf Sterbephasen
(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 24.11.2020)
Quelle: WDR