Hypnose als Therapie
Reizdarm, Nikotinsucht, Schlafstörungen: Bei solchen Krankheitsbildern sind häufig psychische Faktoren wie Stress mit im Spiel. "Hypnosen haben dafür enormes therapeutisches Potenzial", sagt Hansjörg Ebell, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Therapeuten wie Ebell bieten Hypnose entweder als reine Hypnotherapie an oder als Element einer Psychotherapie, wie etwa einer Verhaltenstherapie.
Die Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Liz Lorenz Wallacher stellt die Hypnotherapie als Anwendung von Hypnose innerhalb einer umfassenden Psychotherapie dar. Menschen, die eine Hypnotherapie machen wollen, sollten sich am besten nach einem gut ausgebildeten, qualifizierten Psychotherapeuten umsehen, der Hypnose in diesem Kontext fachgerecht anwenden kann.
Weil es bei der Hypnose darum geht, sich Dinge mit allen Sinnen vorzustellen und zu erleben, ist die Methode häufig wirkungsvoller als bloße Gespräche und Ratschläge.
Mittlerweile belegen mehr als 200 Studien den positiven Effekt der Hypnose. Für viele Bereiche ist sie daher als Therapie wissenschaftlich anerkannt.
Bei chronischen Schmerzen zum Beispiel sucht der Patient in der Trance nach einem Bild, das den brennenden Schmerz ersetzt, eine angenehme Kühle etwa. So lernt der Patient, besser mit dem Schmerz umzugehen und sich davon zu distanzieren.
Beim Reizdarmsyndrom ist die Wirksamkeit von Hypnose so gut belegt, dass viele Mediziner und Therapeuten sie als das Mittel der Wahl empfehlen. Hypnose wurde sogar in der aktuellen Leitlinie für die Reizdarm-Behandlung aufgenommen, an die sich Ärzte halten müssen.
Auch bei Nikotinsucht und Übergewicht hilft Hypnose. Studien zeigen: Vor allem langfristig gesehen ist Hypnose reinen Psychotherapien und Diäten überlegen.
Die Methode sei aber kein Ersatz für die Motivation des Patienten, schlechte Gewohnheiten wie Süßigkeiten essen oder Rauchen loszuwerden. "Hypnose kann helfen, aber das Problem nicht einfach abstellen", sagt Ebell.
Wie gut Hypnose bei Schlafstörungen wirkt, haben Forscher aus Zürich in einer Studie herausgefunden. Sie versetzten ihre Probanden vor dem Einschlafen in Trance. Das Ergebnis: Die Testpersonen schliefen schneller ein und ihre Tiefschlafphase war fast doppelt so lang wie ohne Hypnose.
Hypnose bei Operationen
Als erste Ärztin weltweit hypnotisierte Marie-Elisabeth Faymonville an der Uniklinik Lüttich in Belgien im Jahr 1992 einen Patienten für eine Operation. Seitdem wurden dort mehr als 9.000 Patienten unter Hypnose operiert.
Auch in Frankreich und in den Niederlanden benutzen Mediziner seit den 1990er-Jahren Hypnose bei bestimmten Operationen, beispielsweise an der Schilddrüse.
Die Idee der Hypnose bei Operationen ist, die Nebenwirkungen zu vermeiden. Einige Menschen vertragen die Narkose nicht – sie ruft bei ihnen beispielsweise eine starke Übelkeit hervor. Grundsätzlich ist eine Vollnarkose für jeden Menschen eine körperliche Belastung.
Statt einer normalen Anästhesie bekommen die Patienten unter Hypnose meist lediglich eine Kombination aus lokaler Betäubung, einem Schmerzmittel und einem leichten Beruhigungsmittel.
Zur Absicherung bereiten die Chirurgen auch immer eine normale Narkose vor. So können sie blitzschnell umsteigen, falls der Patient während der Operation doch aufwachen sollte.
Der Anästhesist bringt den Patienten vor der Operation durch Worte an einen Wohlfühlort, den er vorher mit ihm besprochen hat. Mit möglichst vielen Details beschreibt er diesen Ort und suggeriert dem Patienten außerdem, dass er keine Schmerzen spürt.
Mediziner wie Ebell gehen davon aus, dass Hypnose positive Effekte nach der Operation hat: Die Wunden heilen schneller, das Risiko für Entzündungen sinkt und der Patient muss weniger Schmerzmittel einnehmen als nach einer normalen Operation.
Forscher aus Jena und Bern werteten 30 Studien zu Hypnose bei Operationen aus und kamen zu dem Schluss: Patienten sind schneller wieder gesund als nach einer Narkose-OP.
Hypnose beim Zahnarzt
In Deutschland hat sich die Hypnose in der Zahnmedizin fest etabliert. 1.500 deutsche Zahnärzte haben mittlerweile eine Zusatzausbildung in Hypnose.
Für etwa jeden vierten Erwachsenen ist der Gang zum Zahnarzt mit psychischem Stress und Angst verbunden. Bei etwa vier Prozent steigert sich das bis hin zu einer Zahnarztphobie. Diese Menschen bringt der Zahnarzt vor der Behandlung an einen Wohlfühlort.
In Trance sind sie ruhiger und blenden Schmerzen und Geräusche des Zahnbohrers aus. Puls und Blutdruck sind niedriger und die Muskulatur ist entspannt. Der Patient ist nicht mehr verkrampft, der Zahnarzt kann besser arbeiten.
Der positive Effekt in der Zahnmedizin ist durch Studien belegt: Eine Doktorin verglich für eine Übersichtsarbeit verschiedene Methoden bei Angstpatienten – darunter Musik, Entspannungsübungen und Ablenkung. Hypnose schnitt dabei am besten ab.
Ein weiterer Vorteil: Patienten nehmen unter Hypnose die Zeit anders wahr. Ein vierstündiger Eingriff kann sich beispielsweise so anfühlen, als hätte er nur eine halbe Stunde gedauert.
Die Patienten brauchen außerdem weniger Betäubungsmittel als bei normalen Zahnbehandlungen. Nach der Behandlung verheilen die Wunden schneller und verursachen weniger Schmerzen.
Weniger Anspannung, Stress und Schmerzen: Diese Faktoren führen dazu, dass der Patient bei der nächsten Behandlung weniger ängstlich ist – und irgendwann vielleicht seine Phobie ganz ablegen kann.
(Erstveröffentlichung 2018. Letzte Aktualisierung 10.07.2020)