Emotionen

Sind Gefühle Hilfe oder Last?

Prüfungsstress! Feuchte Hände, das Herz jagt, die Gedanken kreisen, der Geist scheint leer. Es ist wirklich anstrengend, ein emotionaler Mensch zu sein! Manchmal wäre es besser, der Kopf wäre ein Computer.

Von Andrea Wengel

Emotionen – nur unnötiger Ballast?

"Guten Tag, ich heiße Robot. Ich freue mich, dich zu sehen", begrüßt der humanoide Roboter einen Besucher auf einer Messe. Dabei verzieht er sein nach menschlichem Vorbild modelliertes Gesicht zu etwas, was Menschen als Lachen interpretieren. Und tatsächlich: Die meisten Besucher reagieren bei diesem Anblick ebenfalls mit einem Lachen, mindestens aber mit einem erfreuten Lächeln.

Allerdings: Egal, wie freundlich oder freudig die Besucher Robot anlachen – seine Reaktion ist wenig variabel, sie bleibt monoton. Ein chipgesteuertes Standardlachen.

Menschliche Emotionen hingegen sind aufwändige Rechenleistung. Wirkliche Freude ist diesem menschenähnlich geformten Gerät aus Metall, Kunststoff und Computerchips völlig fremd. Genau wie ihm alle anderen Gefühle fremd sind – auch die, die uns Menschen nur allzu oft belasten.

Ängste, Sorgen und die vielen seelischen Nöte, mit denen wir uns so oft durchs Leben schlagen müssen, sind uns manchmal lästig. Ob positive oder negative Gefühle, wenn der Mensch so richtig in Wallung gerät, kann er kaum einen klaren Gedanken mehr fassen.

Wieso fällt es uns nur so schwer, komplizierte Dinge und Probleme einfach nüchtern abzuwägen? Pro + Contra = Ergebnis. Und die Sache wäre schnell vom Tisch.

Ohne störende Emotionen: die intelligente Maschine | Bildquelle: Reuters//Francois Lenoir

Überflüssiges Relikt aus der Vergangenheit?

Noch im 20. Jahrhundert hatte die Emotionsforschung einen schweren Stand. Sie war geprägt vom Weltbild einer ausklingenden Industriegesellschaft. Genau genommen waren Emotionen gar kein wirkliches Thema. Im Gegenteil: Sie galten in der modernen Gesellschaft sogar als störend.

Sie schienen so etwas wie ein Relikt aus der menschlichen Vorgeschichte zu sein, etwas, das uns daran hindert, wirklich Mensch zu werden. Der Mensch, das vernunftgesteuerte Wesen. Unter den Gelehrten hielt sich die Annahme von der Abspaltung des Denkens und Fühlens, sollte menschliches Handeln von der Vernunft geprägt sein. Man war der Auffassung, Gefühle hemmten das Denken.

Sind Computer die besseren Menschen?

Noch bis zum Ende der 1980er-Jahre war dieses rationale Denken sehr angesagt, auch dank der Entwicklungen bei der Künstlichen Intelligenz (KI). Bereits Ende der 1950er-Jahre hatte die Euphorie für diese junge aufstrebende Wissenschaft um sich gegriffen. Die Idee war bahnbrechend: Die Erschaffung von intelligenten Maschinen.

Aber das ehrgeizige Projekt war seiner Zeit weit voraus. Es scheiterte schlicht an der Leistungsfähigkeit der Computer. Zwischen der Rechenleistung, die nötig war, um menschliche Intelligenz im Computer zu simulieren, und den damaligen technischen Möglichkeiten schienen Lichtjahre zu liegen.

Ganz so lange sollte es allerdings nicht dauern. In der folgenden Zeit verdoppelte sich die Rechnerleistung von Jahr zu Jahr, sodass es bereits in den 1980er-Jahren möglich war, zumindest ein teilweise intelligentes Verhalten in eine Maschine zu implantieren.

Ging es nach manchen Visionären der künstlichen Intelligenz, schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die intelligente Maschine dem emotional geprägten Vernunftwesen Menschen überlegen wäre.

Bewertungssystem Emotionen

Und heute? Der vernunft- und emotionsgesteuerte Mensch lässt sich immer noch nicht durch Maschinen ersetzen, mögen sie auch noch so (künstlich) intelligent sein. Wie sollte das auch funktionieren? Schließlich werden sie von Menschen gebaut. Und solange der Mensch sich selbst nicht hundertprozentig kennt und versteht, können seine Maschinen immer nur schlechter sein.

In vielen Bereichen arbeiten maschinelle Helfer Vorgänge mit hoher Geschwindigkeit und extremer Präzision ab, die für den Menschen unerreichbar sind. Andererseits: Vergleicht man den Aufwand, der nötig ist, um zum Beispiel ein Butterbrot zu schmieren, dann bedeutet dieser Vorgang für eine Maschine eine riesige Rechenleistung.

Der Aufwand für den Menschen ist dagegen geradezu banal. Er tut dies mit einem gewissen Automatismus, ohne große Anstrengung, ohne geistige Herausforderung. Dennoch ist es der gleiche Vorgang.

Für Emotionsforscher ist klar: Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Mensch mit einem Bewertungssystem ausgestattet ist, das den Maschinen fehlt: Emotionen. Der Mensch fühlt und er hat einen Körper, über den dieses Fühlen sichtbar wird. Dadurch ist der Mensch in der Lage, Dingen und Handlungen eine Bedeutsamkeit zuzuordnen und seine "Rechenleistung" entsprechend zu variieren.

Jede Situation, die wir erleben, ist von Gefühlserfahrungen begleitet, wird mit diesen verknüpft und im Körper gespeichert. Bei der Bewertung neuer Situationen wird dieses Gedächtnis wieder wach. Wir reagieren "aus dem Bauch heraus".

Wir lernen, ob bestimmte Situationen für uns beispielsweise Gefahr bedeuten und unser Körper in kürzester Zeit Kräfte mobilisieren muss, um dieser Gefahr zu begegnen. Oder ob wir eben nur ein Brot schmieren und es ausreicht, den dazu passenden Automatismus "einzuschalten".

Unser tägliches Handeln geschieht nicht allein aus der Vernunft heraus, als Ergebnis eines rationalen Abwägens, sondern wird größtenteils von unseren Gefühlen gelenkt. Sie sind es, die uns für die allermeisten Alltagssituationen, die wir beurteilen müssen, blitzschnell eine Orientierung geben. Genau genommen sind Emotionen konzentrierte Lebenserfahrung.

Die Emotionsforschung ist unseren Gefühlen und ihrem Einfluss auf der Spur. Dabei helfen ihnen – wie kann es anders sein – Maschinen wie der Magnetresonanz-Tomograph (MRT). Diese bildgebenden Verfahren machen es möglich, dem Gehirn beim Denken zuzusehen. Mehr und mehr zeigt sich, wie stark unsere Gefühle auch unbewusst unseren Körper und sein Verhalten beeinflussen.

Auch die Medizin hat erkannt, dass für jeden Heilerfolg auch "der Kopf" eine entscheidende Rolle spielt und Heilen nicht nur darauf beruhen kann, funktionale Defekte des Körpers zu beheben. Der Faktor Mensch lässt sich nicht splitten. Sein Körper, seine Gedanken und seine Emotionen gehören untrennbar zusammen. Er funktioniert nur als Ganzes.

Emotionen sind konzentrierte Lebenserfahrung | Bildquelle: Bernd Jürgens / Chromorange

Künstliche – emotionale – Intelligenz?

Kaum jemand dürfte aber auch ernsthaft erwartet haben, auf einmal einem menschlichen Ebenbild in Form eines humanoiden Roboters gegenüberzustehen. Ein künstliches Wesen – rational, funktional, präzise und fehlerlos, technisch perfekt und ohne blockierende Emotionen. Hollywood lässt grüßen!

Allerdings: Intelligente Maschinen sind längst ein fester Bestandteil unseres Alltags. Sie sind Helfer, die uns das Leben erleichtern und uns Freiräume schaffen. Jedes Verkehrsflugzeug ist heute mit künstlicher Intelligenz vollgepackt.

Und auch unsere Autos: Man denke nur an Navigations- oder Fahrerassistenzsysteme. Es ist völlig selbstverständlich, dass Maschinen Arbeiten eigenständig verrichten, die gefährlich oder allein mit Menschenkraft nicht zu leisten sind. Fühlen scheint dabei überflüssig zu sein.

Doch ist das wirklich so? Das mit den Emotionen lässt die Wissenschaftler nicht kalt – auch nicht in der KI-Forschung. Wenn es nun schon möglich ist, Maschinen ein gewisses Maß an Intelligenz einzupflanzen, dann muss das doch auch mit den Emotionen klappen!

Ist doch unter den Fachleuten die Auffassung weit verbreitet, dass menschliche Emotionen letztlich nichts anderes sind als biochemische Prozesse, die technisch nachgebildet werden können. Genauso wie das Verarbeiten von Wissen.

Roboterjunge David aus dem Film "A.I. – Künstliche Intelligenz" | Bildquelle: dpa