Grafik: Herz mit Stethoskop

Partnerschaft

Liebeskummer – was tun?

Man kann nicht essen, nicht schlafen, die Gedanken drehen sich im Kreis: Viele von uns hatten schon mal richtig schlimmen Liebeskummer. Eine einschneidende Lebenskrise, körperlich und seelisch. Zum Glück gibt es Abhilfe – auch wenn es seine Zeit braucht.

Von Barbara Garde

Viel mehr als ein Teeniegefühl

Liebeskummer tritt in jungen Jahren häufiger auf, aber er kann uns in jedem Lebensalter erwischen und ist weit mehr als nur ein Teeniegefühl. Männer und Frauen sind in gleicher Weise betroffen, aber Frauen leiden intensiver und reden mehr über ihr Leid.

Männer verdrängen den Verlust eher, stürzen sich schnell in die nächste Beziehung – leiden dadurch aber im Schnitt statistisch länger als Frauen. Das hat eine weltweit angelegte Studie der Binghamton-Universität in New York herausgefunden.

Psychologisch gilt Liebeskummer als Anpassungsstörung, als reaktive Depression. Solche Depressionen sind eine unmittelbare Reaktion auf einen belastenden Vorfall und typisch für einschneidende Veränderungen im Leben. Sie treten zum Beispiel auch bei plötzlicher Arbeitslosigkeit, beim Auszug der erwachsenen Kinder oder beim Tod eines Familienmitglieds auf, also immer, wenn eine Tages- und Lebensstruktur zusammenbricht.

Verschiedene Arten des Liebeskummers

Der Psychologe Karl-Heinz Renner unterscheidet drei Arten von Liebeskummer:

  • den Liebeskummer nach einer Trennung, also der klassische Liebeskummer
  • den Liebeskummer in einer bestehenden Beziehung, zum Beispiel, wenn der Partner fremdgeht oder es anderen Stress in der Beziehung gibt
  • den Liebeskummer bei unerwiderter oder unerreichbarer Liebe, den sogenannten Werther'schen Liebeskummer: Man liebt jemanden, ohne von ihm geliebt zu werden, der gar nichts von der heimlichen Liebe weiß oder der einen gar nicht kennt, zum Beispiel einen prominenten Sportler, eine Schauspielerin oder die Nachbarin.

Die Phasen des Liebeskummers

Ein schwerer Liebeskummer kann durchaus zwischen 12 und 36 Monaten dauern. In der Regel verläuft er in vier Phasen, die sich überlagern oder auch verschieben können. Manchmal findet eine Phase auch gar nicht statt.

1. Verdrängung: Man will nicht wahrhaben, dass einen der Partner wirklich verlässt. Man vermutet einen Warnschuss, eine Kurzschlussreaktion des Partners, aber man ist sicher, dass er oder sie zurückkehren wird.

2. Trauer: Wer akzeptiert hat, dass die Liebe keine Zukunft mehr hat, fällt in eine Phase tiefer Trauer, die sich bis in eine Depression steigern kann. Das Weiterleben erscheint sinnlos, ohne Aussicht auf Glück oder gar eine neue Beziehung. Viele Liebesleidende vernachlässigen sich in dieser Phase selbst. Sie essen, trinken und schlafen nicht mehr, sind unfähig zu arbeiten oder ihr Alltagsleben aufrecht zu erhalten.

3. Wut: In dieser Phase machen sich die Enttäuschten klar, was der Partner ihnen genommen hat. Sie entwickeln regelrechte Hassgefühle auf den einstigen Geliebten. Damit leiten sie den endgültigen Abschied ein.

4. Neuanfang: Der Ex-Partner ist überwunden. Man kann sich wieder aufmachen ins Leben. Es bleiben Narben auf der Seele, aber auch Erfahrungen, die das eigene Leben bereichern und die nächste Partnerschaft erfolgreicher machen können.

Zerbrochenes Lebkuchenherz

Wut ist eine Phase beim Liebeskummer

Was Liebeskummer im Körper bewirkt

Wenn wir lieben, fühlen wir uns stark, energiegeladen und fast unverwundbar. Das Gehirn schüttet vermehrt Glückshormone wie Dopamin und Oxytocin aus; der Adrenalinausstoß erhöht sich, wir stehen ständig unter freudiger Spannung. Hirnareale, die für das rationale Denken zuständig sind, haben Pause – eine Konstellation wie im Drogenrausch.

Wird uns die Liebe entzogen, sinkt der Dopamin-Spiegel im Gehirn drastisch: Wir werden unsicher, depressiv, mutlos. Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Konzentrationsprobleme quälen den Liebeskranken. Die Nebennieren produzieren verstärkt die Stresshormone Noradrenalin und Cortisol. Herzrasen, Schwitzen, Zittern treten auf.

Liebeskummer ist einem schweren Drogenentzug vergleichbar, sagt die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher. Die durch den Liebeskummer ausgelösten Körperreaktionen können innere Organe wie Herz, Lunge, Magen und Nieren angreifen.

Warum wir Liebeskummer haben

Hinter elementaren Gefühlen steckt immer ein evolutionärer Sinn. Anthropologen vermuten, dass das offensichtliche Leid der Liebeskranken ursprünglich ein Hinweis für die Gruppe war: "Dieser Mensch brauch Schonung und Zuwendung!"

Zudem vermuten Forscher, dass das Phänomen Liebeskummer schon früh als Abschreckung der Psyche diente: Wer weiß, wie es schmerzt, allein zu sein, wird sich hüten, den Fortpflanzungspartner zu verlassen. Damit werden eine Kontinuität der Fortpflanzung und eine gegenseitige Absicherung bei der Kinderaufzucht sichergestellt.

Der Neurobiologe Oliver Bosch, Professor an der Universität Regensburg, hat die Funktion und Auswirkung von Liebeskummer bei Präriewühlmäusen getestet: Präriewühlmäuse leben in lebenslangen Paarbeziehungen. Männliche Nager neigen aber zu Seitensprüngen, wenn sie auf Futtersuche sind.

Bosch ließ bei Wühlmaus-Versuchspaaren die Weibchen aus dem gemeinsamen Bau verschwinden. Die verlassenen Männchen verfielen darüber in Antriebslosigkeit und depressionsartige Zustände. Sie litten unter starkem Liebeskummer und schienen nur ein Ziel zu verfolgen: dass die entschwundene Mäusepartnerin zurückkehren möge.

Verantwortlich sind die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin, die im Laufe der Evolution eigentlich dazu dienten, ebenso verzweifelt wie energisch ein verlorenes Muttertier zurückzurufen. Mit der gleichen existentiellen Wucht versuchen verlassene Menschen – und eben auch Präriemäuse – den Partner zurückzuerobern.

Zwei Prairiewühlmäuse

Auch Präriewühlmäuse leiden unter Liebeskummer

Zerstörerischer Liebeskummer

Liebeskummer kann krank machen, Alkoholmissbrauch fördern und zerstörerisch wirken: Nach Studien der Universität Wien hegen 45 Prozent aller Liebeskummer-Leidenden Selbsttötungsgedanken. Und viele machen sie wahr: Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist eine gescheiterte Liebe der häufigste Grund für einen Suizid.

Besonders tragisch ist es, wenn andere Menschen mit in den Tod genommen werden, wenn also der Ex-Partner oder die Kinder während eines sogenannten erweiterten Suizids ebenfalls getötet werden.

Eine weitere zerstörerische, krankhafte Form des Liebeskummers ist das Stalking. Nach dem Ende der Beziehung belästigen und verfolgen Stalker ihre Ex-Partner. Durch die sozialen Netzwerke hat das Stalking zugenommen, weil der Ex-Partner oft einfacher zu erreichen und zu überwachen ist.

Wenn Liebeskummer zu Aggressivität führt, ist Vorsicht geboten. Besonders männliche Liebeskranke reagieren sich in der Wut-Phase durch Schlägereien mit Unbeteiligten ab oder gehen aggressiv gegen die Ex oder deren neue Partner vor. Liebeskummer als Auslöser von Tötungsdelikten ist ein unterschätztes Phänomen, meint der Psychologe Professor Karl-Heinz Renner.

Was hilft bei Liebeskummer?

Reden: Wer mit Freunden oder Verwandten über seinen Liebesschmerz reden kann, sollte das nutzen. In schweren Fällen kann auch ein Coach oder auch eine psychologische Beratung notwendig sein. Helfen kann auch ein Trennungstagebuch oder Briefe an den Ex, in denen man sich den Schmerz von der Seele schreibt. Abschicken sollte man diese Briefe aber lieber nicht.

Sich etwas gönnen: Wenn uns der Ex-Partner nicht mehr liebt, müssen wir uns selber lieben. Dazu gehört: sich Zeit für sich nehmen und sich selbst verwöhnen mit Wellness, Sport, einem Friseurbesuch oder einem schönen Essen.

Neues beginnen: Verstärkt Dinge tun und ausprobieren, die man in der alten Partnerschaft nicht (mehr) gemacht hat. Zum Beispiel wieder Motorrad fahren oder reisen, einen neuen Sport beginnen, eine Kochgruppe suchen oder einem Chor beitreten. Dabei lernt man auch neue Menschen kennen und vermeidet Freizeitlöcher, in denen man abstürzen könnte. Vorsicht mit überstürzten neuen Beziehungen: Oft ist man noch nicht bereit dazu und verletzt das Gegenüber.

Das alte Leben ausmisten: Verbindungen zum Ex in den sozialen Netzwerken löschen, damit man nicht in Versuchung kommt, dem alten Partner nachzuspionieren. Dinge wegräumen, die einen an die beendete Liebe erinnern, in einer Kiste zusammenpacken und wegstellen. Nicht gleich alles verbrennen – schließlich war es ein Teil des Lebens.

Die Wohnung umräumen, neu streichen oder dekorieren und sich selbst beweisen: Das ist mein Heim. Klappt das nicht, kann auch ein Umzug hilfreich sein.

Gedankenstützen machen: Man riecht irgendwo ihr Parfüm oder sieht sein Fahrrad an der Ecke stehen und schon ist der ganze Trennungsschmerz wieder da. Für solche Momente empfiehlt Elena-Katharina Sohn, Gründerin einer Anti-Liebeskummer-Agentur, kleine Zettel mit einer Notiz, warum man ohne ihn oder sie jetzt viel besser dran ist. Sie können helfen, die Kummer-Auslöser auszuhebeln.

Kann man Liebeskummer ganz vermeiden?

Wer Liebe erleben möchte, muss immer auch die Gefahr des Liebeskummers in Kauf nehmen. Aber es ist möglich, so zu lieben, dass einen die enttäuschte Liebe zwar schmerzt, aber nicht vernichtet, sagt Elena-Katharina Sohn: Wer eine gute Balance zwischen den Glücksquellen seines Lebens herstellt, wer Familie, Freunde, Arbeit, Hobbys und Partner gleichermaßen pflegt, der wird aufgefangen, wenn der Partner als lediglich eine dieser Säulen wegfällt.

Und: Ein Mensch, der nicht auf einen einzigen Partner fixiert ist, ist freier, gefestigter und interessanter für andere – auch für einen neuen Partner.

(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 15.07.2020)

Quelle: WDR

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