Erziehung

Erziehung heute

Kinder zu erziehen, ist eine große Aufgabe. Doch wie macht man es richtig? Viele Eltern fühlen sich verunsichert und mit ihren Fragen alleingelassen.

Von Claudia Heidenfelder

Gibt es eine "richtige" und eine "falsche" Erziehung?

In den Buchläden stapeln sich zahlreiche Ratgeber zum Thema Erziehung in den Regalen und versprechen schnelle Hilfe. Einen Grund für die wachsende Verunsicherung vermutet Cornelia Nitsch, Autorin von Erziehungsratgebern und selbst Mutter von vier Söhnen, in den Kleinfamilien von heute: "Früher gab es die Großfamilie, da konnten Eltern sich bei den Großeltern oder Urgroßeltern schnell einen Rat holen. Heute müssen viele Eltern bei Null anfangen."

Sind die Kleinen im Kindergartenalter, wird diese Situation etwas besser. Dann können sich die Erziehungsberechtigten mit anderen Eltern austauschen.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass es keine allgemein gültigen Regeln mehr gibt. Früher mussten Kinder viel strengere Gesetze befolgen. Mädchen mussten beispielsweise bei der Begrüßung von Erwachsenen einen Knicks machen, Jungen eine leichte Verbeugung. Bei Tisch durften viele Kinder gar nicht sprechen.

Solch strenge Verhaltensregeln sind heute passé. Die Spielräume sind größer geworden. Darum stellt sich den Eltern stärker die Frage nach dem passenden Erziehungsstil.

Die richtige Erziehung oder die falsche Erziehung gibt es nicht. Es kommt im Familienalltag auf die Besonderheiten von Kind und Eltern an. Dennoch gibt es einige Grundvoraussetzungen für eine gute Erziehung. Ganz wichtig ist die Liebe zum Kind. Eltern sollten Freude daran haben, ihr Kind zu erziehen und die Beschäftigung mit ihm nicht als Belastung sehen.

Auch wenn die Erziehung eine große Verantwortung darstellt, kann sie viel Spaß bereiten. Besonders wichtig ist, das Kind in seiner Persönlichkeit zu achten. Eltern sollten auf ihre Kinder eingehen, ihnen zuhören und ihre Bedürfnisse und Interessen ernst nehmen.

Öfter aufeinander hören statt einander anschreien | Bildquelle: Imago/Emil Umdorf

Grenzen setzen

Eltern sind mehr als nur die Freunde ihrer Kinder. Als Erwachsene tragen sie die Verantwortung für das Kind und geben die Richtung vor. Darum sollten sie sich nicht davor scheuen, dem Kind Regeln zu geben und Grenzen zu setzen.

Viele Erziehungsexperten halten klare Vorgaben und Regeln für Kinder für den besten Weg. Kinder brauchen verlässliche Angaben, nach denen sie sich richten können.

Sind die Eltern inkonsequent, kann dieses Verhalten zu Orientierungslosigkeit des Kindes führen. Erziehungsberechtigte müssen für ihre Kinder Entscheidungen treffen, wenn das Kind dazu selbst noch nicht in der Lage ist. Die Entscheidungen sollten jedoch besprochen und begründet werden.

Körperliche Strafen sind absolut tabu. "Bevor mir die Hand ausrutscht, bin ich lieber eine Runde um den Block gegangen", berichtet Cornelia Nitsch aus ihrer Alltagserfahrung mit vier Söhnen. "Über Probleme kann man mit dem Kind sprechen, wenn man wieder einen kühlen Kopf hat."

Von Strafen und Sanktionen hält sie wenig: "Das sollte immer ein letztes Mittel sein, wenn alles andere gar nicht mehr fruchtet, denn Strafen führen schnell zu einem Machtkampf. Erstmal sollten Eltern das Gespräch suchen. Damit bin ich auch bei meinen vier Kindern meist weit gekommen."

Erziehungskonzepte oder Bauchgefühl?

Viele Eltern überlegen, ob sie ein bestimmtes Konzept in ihrer Erziehung berücksichtigen sollen. Viele dieser Konzepte sind jedoch sehr technisch angelegt. Sie liefern Patentrezepte und suggerieren eine falsche Sicherheit im Umgang mit Kindern. Wenn sie nicht auf die Persönlichkeit des Kindes zugeschnitten sind, engen sie den erzieherischen Spielraum zu sehr ein.

Laut Cornelia Nitsch können Eltern beruhigt auf ihr Bauchgefühl hören und sich auf ihre eigene Wahrnehmung konzentrieren. Oft sagt die innere Stimme genau das Richtige.

Wer dennoch einen Kurs zum Thema Erziehung besuchen will, kann sich zum Beispiel die Kurse vom Deutschen Kinderschutzbund näher ansehen. Die Erziehungsprogramme gehen auf die Persönlichkeit und die Bedürfnisse des Kindes ein.

Wie werden sie erzogen? | Bildquelle: Mauritius/Reinhard Eisele

Wohlstandsvernachlässigung

In der breiten Öffentlichkeit wird vermehrt über die Vernachlässigung von Kindern und den Mangel an Disziplin gesprochen. Derartige Probleme sind nicht neu.

Was Erziehungsfachleute heute beklagen, ist die sogenannte "Wohlstandsvernachlässigung": Eltern können ihren Kindern vieles kaufen – den eigenen Fernseher im Zimmer oder teure Reit-, Ballett- und Klavierstunden. Materielle Dinge können jedoch nie ersetzen, was für Kinder das Wichtigste ist: Liebe und Zeit.

Stehen Eltern mit der Erziehung alleine da?

Im Idealfall sollten an der Kindererziehung alle beteiligt sein: Eltern, Erzieher und Lehrer. Nach Möglichkeit ziehen sie an einem Strang. Wenn Probleme auftauchen, zum Beispiel das Auftreten einer Verhaltensauffälligkeit des Kindes, sind Eltern auf Hilfe von außen angewiesen. Verschiedene Beratungsstellen bieten in solchen Fällen Unterstützung an, die Eltern wahrnehmen können.

Für die Zukunft der Kindererziehung hoffen viele Erziehungsfachleute auf einen goldenen Mittelweg zwischen Drill und "laissez faire". Wünschenswert wäre ein Netzwerk von Menschen, die sich um die Erziehung von Kindern kümmern. Cornelia Nitsch jedenfalls hofft, dass sich "Eltern künftig viel Zeit für ihre Kinder nehmen und partnerschaftlich mit ihnen umgehen. Allerdings: Ohne Regeln und Konsequenzen geht es nicht!"