Eine Frau sitzt bei der Psychotherapeutin auf dem Sofa

Depressionen

Depressionen erkennen und bekämpfen

Noch immer verdrängen viele Menschen die Krankheit Depression. Sie gilt als eine der häufigsten und am häufigsten missverstandenen seelischen Erkrankungen. Dabei können Depressionen lebensbedrohlich werden – lassen sich aber auch gut behandeln. Je früher, desto besser.

Von Annette Holtmeyer, Katrin Ewert, Britta Schwanenberg

HILFE BEI DEPRESSIONEN

Wenden Sie sich an einen Arzt, wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie oder eine nahestehende Person unter Depressionen leiden. Der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle.

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet ein Info-Telefon (0800-3344533) und ein Online-Forum an.

In Notfällen, etwa bei Suizidgedanken, wenden Sie sich an den Notarzt unter der Telefonnummer 112.

Angehörige und Freunde

Depressionen werden häufig nicht einmal von Medizinern erkannt – kein Wunder, dass Betroffene mit ihrem Leiden bei Angehörigen und Bekannten nicht immer auf Verständnis treffen. Hinzu kommt, dass gerade depressive Menschen meinen, an ihrer Lage schuld zu sein, unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden und sich deshalb stark von ihrer Außenwelt abkapseln. Obwohl ihr Leiden oft sehr groß ist, bleibt es Außenstehenden meist unzugänglich.

Eine alte Frau sitzt nachdenklich in einem Sessel

Eine Depression bestimmt oft den ganzen Alltag

Die typischen Reaktionen von nahestehenden Menschen reichen von übergroßer Fürsorge bis zu Ungeduld und Wut. "Das geht schon wieder vorbei!" oder "Lass dich nicht so hängen!" sind schlechte Tipps, wenn man vermutet, dass ein Bekannter, Freund oder Angehöriger unter einer depressiven Störung leidet. Besser ist es, den Betroffenen dazu zu ermutigen, zum Arzt zu gehen.

Für Angehörige ist es wichtig zu wissen, dass sie die Betroffenen zwar unterstützen, aber nicht heilen können. Menschen mit Depressionen benötigen professionelle Hilfe.

Wo bekomme ich Hilfe?

Betroffene können sich an verschiedene Anlaufstellen wenden. Für die erste Hilfe in Krisensituationen können sie bei der Telefonseelsorge immer einen Ansprechpartner anrufen. Meist führt der erste Weg zum Hausarzt. In der Regel ist er es, der eine depressive Störung diagnostiziert. Er wird auch Untersuchungen durchführen, um auszuschließen, dass körperliche Krankheiten die Ursache für die Depression sind.

Das Bild zeigt das Hinweisschild der psychiatrischen Abteilung einer Klinik. Im Hintergrund steht ein Mensch im Flur.

Oft ist eine stationäre Behandlung sinnvoll

Bei leichteren Formen der depressiven Störung kann die hausärztliche Behandlung ausreichen. Häufig fehlt dem Hausarzt aber die Zeit für längere Gespräche oder das fachspezifische Wissen für eine ausreichende Behandlung. Kein Patient sollte den Weg zum Psychiater, Psychologen oder Psychotherapeuten scheuen, wenn er sich beim Hausarzt nicht ausreichend versorgt fühlt.

Wie finde ich einen Psychotherapeuten?

In der Regel kann der Hausarzt einen Psychotherapeuten empfehlen. Betroffene können sich auch direkt an eine psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis wenden. Bei der Terminvereinbarung helfen die Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung.

Psychotherapie

Je nach Schwere der Erkrankung behandelt ein Psychotherapeut eine Depression ambulant oder er empfiehlt dem Betroffenen, sich in ein Krankenhaus oder ein Therapiezentrum einweisen zu lassen. Auch die Art der Behandlung richtet sich nach der Schwere und der Art der Depression.

Verschiedene psychotherapeutische Verfahren werden von den Krankenkassen übernommen:

  • Bei der analytischen Psychotherapie hilft der Therapeut dabei, unbewusste Konflikte aus der Vergangenheit zu verarbeiten – etwa aus der Kindheit.
  • Die tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie ähnelt der analytischen Psychotherapie. Bei dieser Form hilft der Therapeut jedoch bei aktuellen Konflikten.
  • Eine kognitive Verhaltenstherapie versucht gezielt, krankmachende Verhaltensweisen durch hilfreiche zu ersetzen. Der Patient erlernt bestimmte Techniken, mit denen er den Kreislauf aus negativen Gedanken stoppen kann.
  • Die systemische Psychotherapie stellt die sozialen Beziehungen des Patienten in den Vordergrund. Der Therapeut analysiert, wie die Familie oder das soziale Umfeld die Depression begünstigt und regt zu Lösungen an.

Welche dieser Therapieformen sich eignet, lässt sich nur individuell entscheiden.

Antidepressiva

Bei mittelgradigen und schweren Depressionen ist es zusätzlich zur Psychotherapie sinnvoll, sogenannte Antidepressiva einzunehmen.

"Für die meisten Menschen findet sich ein wirksames Medikament, sie werden von ihrer Depression geheilt", sagt Professor Ulrich Hegerl, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Es sei aber wichtig, die Medikamente als Teil eines Gesamtbehandlungsplans zu verstehen.

Die Betroffenen müssen sich mit ihrer Krankheit auseinandersetzen und nicht einfach in die Apotheke gehen und in Eigenregie eine Therapie starten.

Die medikamentöse Behandlung einer Depression gilt weltweit als sehr wirksame Methode. Vorbehalte dagegen sind zwar weit verbreitet, Experten weisen sie aber zurück: Antidepressiva machten nicht abhängig und veränderten auch nicht die Persönlichkeit.

Ihre angstlösende und stimmungsaufhellende Wirkung setzt erst nach einigen Wochen ein. Und es kann eine Weile dauern, bis der Arzt das richtige Medikament gefunden hat.

Eine Tablettenpackung

Antidepressiva sollen nur in Absprache mit dem Arzt genommen werden

Johanniskraut

Johanniskraut ist ein sehr gängiges und bekanntespflanzliches Mittel gegen Depressionen. Es ist in jeder Apotheke und sogar in vielen Supermärkten erhältlich. Betroffene sollten Johanniskraut trotzdem nur in Rücksprache mit dem Arzt einnehmen. Der Grund: Es sind viele unterschiedliche Präparate mit verschiedenen Dosen auf dem Markt. Je nach Präparat kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen. Es ist zum Beispiel möglich, dass das pflanzliche Mittel die Wirkung der Antibabypille herabsetzt.

Die angstlösende und stimmungsaufhellende Wirkung setzt laut den Herstellern nach zwei bis drei Wochen ein. Studien konnten belegen, dass Johanniskraut bei leichten und mittelschweren Depressionen hilft.

Die meisten Studien liefen jedoch nur in einem Zeitraum von bis zu acht Wochen. Ob Johanniskraut auch langfristig wirksam ist und weitere depressive Episoden vorbeugen kann, ist nicht ausreichend untersucht. Und: Bei schweren Depressionen konnte keine positive Wirkung nachgewiesen werden.

Das Bild zeigt die gelben Blüten der Johanniskrautpflanze.

Johanniskraut hat eine antidepressive Wirkung

Lebensstil

Zusätzlich zur Psychotherapie und eventuell Medikamenten wie Antidepressiva ist es wichtig, dass Betroffene auf einen gesunden Lebensstil achten.

Sport und Bewegung helfen nachweislich gegen Depressionen. Entspannungsverfahren helfen dabei, Stress abzubauen und die Symptome einer Depression zu lindern. Bekannte Techniken sind Autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Achtsamkeitstraining und Meditation.

Schlafentzug

Eine Nacht ohne Schlaf kann zu einer deutlichen Verbesserung der Krankheitssymptome führen. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass während der REM-Phasen – der Tiefschlafphasen mit "Rapid Eye Movement" (schnellen Augenbewegungen unter geschlossenen Augenlidern) – vermehrt wichtige Botenstoffe wie Serotonin verbraucht werden.

Schlafforscher haben festgestellt, dass diese REM-Phasen bei Depressiven häufiger auftreten als bei Gesunden.

Elektrokrampftherapie

In sechs bis zwölf Einzelbehandlungen werden bei dem Patienten unter Vollnarkose durch Stromimpulse Krampfanfälle im Bereich der Schläfenregion ausgelöst. Daraufhin schüttet das Gehirn die stimmungsaufhellenden Botenstoffe Dopamin und Serotonin aus.

Die Elektrokrampftherapie war in Deutschland lange Zeit unpopulär. Mediziner sehen sie bei schweren Depressionen, vor allem bei großer Suizidgefahr, aber als eine Option an.

Vagusnervstimulation

Ein elektrischer Pulsgenerator, den Ärzte dem Patienten in einer Operation unter den Brustmuskel implantieren, reizt den sogenannten Vagusnerv. Er beeinflusst so jene Prozesse, die die Depression auslösen. Er soll funktionieren wie ein "Schrittmacher für die Seele".

Die Methode ist bei Betroffenen sinnvoll, die nicht auf Psychotherapie und Antidepressiva ansprechen. Sie hilft jedoch nur bei rund der Hälfte dieser Patienten.

(Erstveröffentlichung: 2005. Letzte Aktualisierung: 25.03.2021)

Quelle: WDR

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