Erwin Rommel
Erwin Rommel – ein Held der NS-Propaganda
Rommel entspricht dem Idealtyp des jungen, modernen Offiziers, den die NS-Propaganda als Vorbild sucht. Auf all seinen Kriegsschauplätzen wird er von Propagandakompanien der Wehrmacht und der Regierung begleitet und so zu einer Werbefigur.
Von Thomas Fischer
Vom "Wüstenfuchs" zu "unser Rommel"
Schon im Frankreichfeldzug 1940 wird Erwin Rommel in der gleichgeschalteten Presse erwähnt, und er hat einen Auftritt in der NS-Wochenschau. Auch Bildpostkarten, die den Panzergeneral zeigen, sind in dieser Zeit schon weit verbreitet.
Die Erfolge des Feldmarschalls in Afrika 1941/1942 bewegen Goebbels und Hitler, ihn zum Volkshelden zu stilisieren. Im April 1941 veröffentlicht die Zeitschrift "Das Reich" einen Propagandaartikel, in dem Rommel als soldatischer Führer beschrieben wird, "dem jede neue Aufgabe und jeder neue Boden willkommen ist, Lehrer und Vorbild, politischer Kämpfer und militärischer Schriftsteller, (…) eine Gestalt, die von den jungen Deutschen als diesem Jahrhundert gemäß empfunden wird."
Zur NS-Propaganda um Rommel gehörten auch Postkarten vom Panzergeneral
Aus Rommel wird so "Unser Rommel" (Hitler, 30.1.1942), ein Offizier, der von vorne führt, immer ganz nahe bei "seinen" Soldaten, ein harter und fordernder Kommandeur, auf den man sich verlassen kann.
Als er den Kriegsschauplatz Afrika im März 1943 endgültig verlässt, verschweigt die Propaganda dies zunächst, um den Mythos Rommel möglichst lange nutzen zu können. Rommel wird so von der NS-Propaganda instrumentalisiert. Andererseits arbeitet er selbst aktiv an der Ausgestaltung seines Feldherren-Images mit und trägt dazu bei, dass die Bevölkerung den Krieg lange mit Siegeszuversicht begleitet.
Noch im Juni 1944, als die alliierte Invasion unmittelbar bevorsteht, beteiligt er sich an Plänen des Propagandaministers, eine "Zersetzungspropaganda" gegenüber den westalliierten Truppen aufzubauen. "Er ist auch persönlich an dieser Propaganda interessiert und möchte sie mit allen Mitteln fördern. Er hat sich selbst Gedanken darüber gemacht und bringt praktische Vorschläge für einzelne Sendungen und Themen!", schreibt Goebbels Beauftragter Alfred-Ingemar Berndt nach einem Frankreich-Besuch bei Rommel.
Rommel – ein General, der "von vorne" führt
Rommel – ein Ausnahmesoldat?
Feldmarschall Rommel wird in der NS-Propaganda zum Lieblingsgeneral des "Führers" stilisiert. Einer, der bei seinen Soldaten ist und auch mal persönlich zupackt, wenn ein Kriegsfahrzeug feststeckt. Aber wie viel davon ist schlichtweg propagandawirksame Inszenierung? Und wie gut war Rommel als Soldat wirklich?
Rommel ist ein risikobereiter Befehlshaber, der im Gefecht die gegnerischen Schwächen brillant ausnutzen und die Gegenseite durch schnelle und überraschende Vorstöße überrumpeln kann. Er wird auch von den Gegnern als mutiger Feldherr und großer Taktiker anerkannt.
Der Historiker Richard Overy, University of Exeter, weiß von einem anderen Erwin Rommel: "Er hat seinen Stab schikaniert und seine Soldaten, hat sie zu Aktionen getrieben, die andere Kommandeure nicht verlangt hätten. Er hat eine große Opferbereitschaft erwartet…"
Andere Kritiker beklagen den fehlenden strategischen Weitblick. Als Befehlshaber, der "von vorne" führt, fehlt ihm nach Ansicht damaliger Kritiker und auch heutiger Militärhistoriker in manchen Situationen der Abstand zum Geschehen.
So setzt Rommel nach dem Fall von Tobruk im Juni 1942 den Angriff mit geschwächten Truppen und ohne ausreichenden Nachschub fort, um die zurückweichenden Briten entscheidend zu schlagen. Der schlecht vorbereitete Angriff bleibt dann aber bei El Alamein stecken, und es gelingt nicht, die eigenen Kräfte wieder so weit aufzufrischen und zu verstärken, dass eine neue Offensive möglich wird.
Im Gegenteil: Die Briten können ihre Truppen entscheidend verstärken und so im Oktober/November 1942 mit der Schlacht bei El Alamein die Wende im Nordafrika-Feldzug herbeiführen. Rommel muss seine Truppen fast 2.000 Kilometer zurückführen, worin einige Historiker wiederum eine militärische Meisterleistung sehen.
Fest steht allerdings: Rommel vertritt seine Lageeinschätzungen offen auch gegenüber Hitler – selbst dann, wenn sie von denen des Diktators abweichen.
Ob Rommel ein Vorbild für deutsche Soldaten sein kann, ist umstritten
Rommel – ein Vorbild für die Soldaten der jungen Bundesrepublik?
Schon bald nach der Kapitulation wird nach den Verantwortlichen für den Holocaust und für deutsche Kriegsverbrechen gefahndet. Offiziere der ehemaligen Wehrmacht versuchen, die Schuld an Kriegsverbrechen Hitler und der SS zuzuschieben und verbreiten die Legende, die Wehrmacht sei im Kriege "sauber" geblieben. Immer wieder wird dabei auch auf Rommel verwiesen, dem selbst seine Gegner eine "ritterliche" Kriegsführung zugesprochen haben.
Ein Mitbegründer der Legende von der "sauberen Wehrmacht" ist Hans Speidel, 1944 Rommels Stabschef. Speidel ist es auch, der den Mythos Rommel unbeschadet in die Nachkriegszeit überträgt. Mit seinem 1949 erschienenen Buch "Invasion 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal" legt er den Grundstein für die Umdeutung Rommels vom hitlertreuen General zum Widerstandskämpfer, der dem NS-Regime zum Opfer fiel.
Rommel habe die "wachsende Amoralität des Regimes" erkannt und Hitler im Juli 1944 verhaften wollen. Nur seine schwere Verwundung habe verhindert, dass er "zur Tat schreiten" konnte. Speidel, seit 1950 militärischer Berater Adenauers und Mitplaner der Bundeswehr, gelingt es, seinem Rommel-Bild breite gesellschaftliche Zustimmung zu verschaffen.
Rommel wird nun zum soldatischen Vorbild auch der Bundeswehr und dient der Traditionsbildung der neuen Streitkräfte. Im November 1956 spricht Speidel als Bundeswehrgeneral erstmals vor Soldaten am Grabe des Feldmarschalls. Rommel habe sein Gewissen über den Gehorsam gestellt, so Speidel, sein Leben gereiche "den besten Traditionen deutschen Soldatentums und unseres deutschen Volkes überhaupt zur Ehre."
Zwei Jahrzehnte hat das neue Rommel-Leitbild Bestand. Straßen, Kasernen und ein Zerstörer werden nach dem Feldmarschall benannt. Erst Ende der 1970er Jahre gerät das Rommel-Bild in die Kritik, und es beginnt ein Deutungsstreit, der bis heute andauert.
UNSERE QUELLEN
- Ralf Georg Reuth: "Rommel – Das Ende einer Legende". Piper 2004
- Propagandazeitschrift "Das Reich", 6.4.1941
- Johannes Häußler, Cornelia Hecht, Paula Lutum-Lenger, Thomas Schnabel: "Mythos Rommel". Katalog zur Sonderausstellung, 18. Dezember 2008 bis 30. August 2009; Haus der Geschichte Baden-Württemberg
- Rommel – Die Dokumentation, Thomas Fischer, SWR , 2012
Quelle: SWR | Stand: 30.09.2020, 17:00 Uhr